Otto König/Richard Detje: »Strategische Rüstungsexporte« der GroKo

Panzer aus dem »Technologiehaus«

08.02.2018 | CDU/CSU und SPD haben sich auf eine Fortsetzung der klein gewordenen großen Koalition verständigt – in der SPD werden nun die Mitglieder über die Verhandlungsergebnisse zu entscheiden haben. Ein Politikfeld, das erst zum Schluss auf der Agenda stand, war die Verteidigungs-, oder sagen wir besser: Rüstungspolitik.

Für CDU/CSU ging es darum, der Zielmarke von zwei Prozent Militärausgaben am BIP näherzukommen (aktuell 1,2%), was von der SPD bereits in der alten GroKo abgesegnet wurde. Da es sich jedoch um ein sensibles Politikfeld handelt, wurde ein Koppelgeschäft vereinbart: steigen die Ausgaben für die Rüstung, soll auch der »Entwicklungshilfe«-Etat steigen dürfen (2016: 0,52%).  Dort werden die Mittel dringend gebraucht, um die Fluchtbewegung Richtung Europa weiter einzuhegen. Das Motto dieser Politik ist uns wohl bekannt: Weiter so!

Das gilt auch und insbesondere für die militärische Seite der deutschen Exportwirtschaft. »Wir schränken die Rüstungsexporte weiter ein«, heißt es in den GroKo-Vereinbarungen. Das ist nicht ganz logisch formuliert: Bevor etwas weiter eingeschränkt werden kann, muss vorher bereits etwas eingeschränkt worden sein. Davon kann keine Rede sein: In der vergangenen Legislaturperiode sind unter Schwarz-Rot die Rüstungsexporte auf Rekordhöhe gestiegen. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums genehmigte die Bundesregierung in den vergangenen vier Jahren Waffenausfuhren im Wert von rund 25 Milliarden Euro. Gegenüber der Regierungszeit von Union und FDP entspricht das einer Zunahme um ein Fünftel.

Nutznießer dieser Politik sind die deutschen Rüstungskonzerne, allen voran die »Big Five« der Branche: Diehl Defence und ThyssenKrupp Marine Systems, Airbus, Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall Defence machen Jahr für Jahr Millionengewinne. Sie profitieren von den laxen deutschen Ausfuhrkontrollen, die Exporten in Spannungsgebiete und Staaten, in denen Menschenrechte verletzt werden, eigentlich einen Riegel vorschieben sollen. Sarkastisch formuliert: Mit der Vereinbarung zur Fortsetzung der GroKo dürfte der Rüstungswirtschaft ein Stein vom Herzen gefallen sein, kann sie doch ihr lukratives Geschäft mit dem Tod ungeschmälert fortsetzen. Der Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann konnte seine Ausfuhren von 2015 auf 2016 um 12,8% und der Rheinmetall-Konzern um 13,3% steigern, so das Stockholmer Institut SIPRI.

Steigende Exporte füllen nicht nur die Konzernkassen, sondern tragen auch dazu bei, die für die Bundeswehr wichtige »nationale rüstungsindustrielle Basis« zu stärken. Auch deswegen bezeichnet sich die »Sicherheits- und Verteidigungsindustrie« selbst als »Innovationsmotor«, der der »gesamte(n) deutsche(n) Wirtschaft« wichtige »Impulse für Forschung und Entwicklung« gebe. So will der Vorstandsvorsitzende der Rheinmetall AG, Armin Pappberger, sein Unternehmen auch nicht mehr als »Panzerschmiede« oder »Kanonenbauer« wahrgenommen wissen, sondern als »Technologiehaus«.

Die ideologische Begleitmusik für die Politik der Militarisierung im Inland und die Rüstungsexporte in Ausland liefert die Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), die gemeinsam mit der Unternehmensberatungsfirma McKinsey im Ende 2017 vorgelegten MSC European Defence Report (»More European, More Connected and More Capable – Building the European Armed Forces of the Future«) ein apokalyptisches Bedrohungsszenario zeichnet. Ein »Ring of Fire« bedrohe die Friedensunion EU, so der MSC-Organisator Wolfgang Ischinger. Russland stehe »mitten in Europa«, der Nahe Osten und Cyberbedrohungen machten es dringend notwendig, die Militärausgaben auf die Trump/NATO-Vorgabe von zwei Prozent des BIP zu erhöhen. Die Münchner Sicherheitskonferenz tagt vom 16.-18. Februar. Da wird sich die wiederholte GroKo kräftiger Unterstützung versichern können.

Aus der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf die Anfrage der Fraktion DIE LINKE geht hervor, dass die GroKo im Jahr 2017 die Ausfuhr von Kriegsgerät im Wert von insgesamt 6,24 Milliarden Euro genehmigt hat. Während sich die Genehmigungen für Rüstungsexporte um das Jahr 2000 noch im Bereich von rund drei Millionen Euro jährlich bewegten, pendelten sie sich ab 2003 bereits um gut fünf Milliarden und seit 2015 um den Wert von rund sieben Milliarden Euro ein. Diese Fakten negierend behauptet das Bundeswirtschaftsministerium unverdrossen: »Die Bundesregierung verfolgt eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik«, bei der, so Staatssekretär Matthias Machnig (SPD), der »Beachtung der Menschenrechte ein besonderes Gewicht« beigemessen werde. Eine Fake News, neudeutsch gesprochen, angesichts der vielen internationalen Konflikte, in denen deutsche Waffen zum Einsatz kommen – zuletzt Leopard-Panzer beim völkerrechtswidrigen Einmarsch türkischer Truppen im selbstverwalteten kurdischen Kanton Afrin in Nord-Syrien.

Über die Erteilung von Genehmigungen entscheide die Bundesregierung »im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen«. Richtig ist: Rüstungsexporte fungieren stets auch als Instrument der deutschen Außenpolitik. Das belegen vor allem die Ausfuhren in Länder, die nicht zur EU, zur NATO oder zu den der NATO gleichgestellten Staaten (Schweiz, Australien, Neuseeland, Japan) zählen. Diese sie sind in den Jahren 2014 bis 2017 auf rund 14,5 Milliarden Euro gestiegen – ein Plus von 45% im Vergleich zur Amtszeit der CDU/CSU-FDP-Koalition.

Der Großteil der deutschen Exporte geht direkt in Krisen- und Kriegsgebiete. Rheinmetall macht kein Hehl daraus, dass die profitabelsten Märkte in Konfliktregionen und Schwellenländern liegen. »Statt einfach nur wehrtechnische Produkte zu verkaufen, werden für Partner auf der ganzen Welt komplette Infrastrukturen für Verteidigung schlüsselfertig aufgebaut«, heißt es auf der Unternehmenswebseite. Die wichtigsten Zielmärkte lägen nun einmal in Russland, Asien, Südamerika, Nordafrika und im Nahen Osten.

Im Jahr 2017 wurden Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsexporte allein in die MENA-Staaten (Nahost und Nordafrika) in Höhe von 2,89 Milliarden Euro erteilt. Insbesondere Saudi-Arabien findet sich seit 2012 durchgängig unter den Top 10 der Empfänger deutschen Kriegsgeräts. Dem Königshaus in Riad wurden seitdem Rüstungslieferungen im Wert von 2,86 Milliarden Euro genehmigt. Es folgen die Vereinigten Arabischen Emirate, die sich von 2008 bis 2017 achtmal unter den Top 10 mit genehmigten Rüstungskäufen im Wert von mehr als 2,16 Milliarden Euro vertreten sind. Qatar lag 2015 mit Genehmigungen im Wert von 1,66 Milliarden Euro auf Platz eins der deutschen Exportrangliste und 2013 mit mehr als 670 Millionen Euro auf Platz zwei. Schließlich ist Ägypten auf Platz zwei der Kunden deutscher Waffenschmieden aufgestiegen – mit Genehmigungen im Wert von über 708 Millionen Euro im vergangenen Jahr.

Das heißt: Gerade die sich um Saudi-Arabien gruppierende arabische Staatenkoalition ist aufgerüstet worden, die den Jemen mit einem brutalen Krieg überzieht und mit einer Hungerblockade der Zivilbevölkerung schweres Leid zufügt.[1] Laut den GroKo-Sondierungsgesprächen sollen künftig am Jemen-Krieg beteiligte Länder keine Genehmigungen für Waffenkäufe mehr erhalten. Es bestehen jedoch berechtigte Zweifel, ob dieser Beschluss in der Praxis tatsächlich umgesetzt wird. Umgehungs-Strategien sind längst entwickelt worden.

So entwickele Rheinmetall »Strategien, um staatliche Regulierungsversuche für Rüstungsexporte ins Leere laufen zu lassen«, schreibt Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS). Die Unternehmensführung der Düsseldorfer Waffenschmiede sei für den Fall vorbereitet, »dass Deutschland oder die Europäische Union künftig Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien nicht mehr genehmigen oder solche Exporte gar durch ein UN-Embargo untersagt würden«, heißt es in der BITS-Untersuchung »Hemmungslos in alle Welt«.[2]

Ein Beispiel für lukrative Rüstungsgeschäfte ist die Türkei. Heute stammen nach Angaben des Forschungsinstituts Bonn International Center for Conversion (BICC) von den knapp 2.500 Kampfpanzern des türkischen Heeres mehr als 720 aus deutscher Produktion. So genehmigte die rot-grüne Bundesregierung 2005 den Export von rund 350 Leopard 2A4-Panzern der deutschen Rüstungsfirma Kraus-Maffei-Wegmann an die Türkei. Obwohl die türkischen Streitkräfte auf Befehl des Autokraten Recep Tayyip Erdogan schon 2015 diese Panzer gegen die kurdische Minderheit im Südosten des Landes einsetzte, wobei mindestens 2.000 Menschen ums Leben kamen und mehr als 30 Städte zerstört wurden, kümmert sich Deutschland bis heute um die optimale Funktionsfähigkeit dieser Vernichtungswaffen.

Zugleich sind die deutsch-türkischen Beziehungen ein Beispiel dafür, wie Rüstungsexportrichtlinien durch Firmenniederlassungen im Ausland umgangen werden können. Um künftig unabhängiger agieren zu können, plant die türkische Regierung den Bau einer Panzerfabrik im eignen Land unter Beteiligung von Rheinmetall.[3] Der Prototyp des türkischen Kampfpanzers Altay sieht vor, diesen u.a. mit einem Dieselmotor des deutschen Unternehmens MTU aus Friedrichshafen und einer Glattrohrkanone von Rheinmetall auszustatten. Das Joint Venture RBSS, das aus Rheinmetall und dem türkischen Fahrzeughersteller BMC besteht, sieht die Herstellung von 1.000 dieser Panzer für die Türkei vor.

Der Autor des Buches »Die Profiteure des Terrors«, Markus Bickel, fordert ein Rüstungsexportgesetz, das den »Technologietransfer ebenso wie die Lizenzvergabe in autoritäre Staaten an klare Bedingungen knüpft«. Es sei notwendig den politischen Druck auf die kommende Bundesregierung hochzuhalten. Denn für die Rüstungsfanatiker und Waffenexporteure gibt es in Deutschland einen gewichtigen Unsicherheitsfaktor: über 80% der Bevölkerung sind gegen Waffenexporte.


[1] Vgl. Otto König /Richard Detje: Deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Beihilfe zum Hungertod, Sozialismus Aktuell.de, 21.11.2017.

[2] Wie deutsche Rüstungsfirmen auch in Zukunft ihre Produkte in Krisen- und Kriegsgebiete liefern werden, ging eine ARD-Dokumentation nach, in der die Journalisten Philipp Grüll und Karl Hoffmann belegten, dass z.B. der Rheinmetall-Konzern Bomben etwa an Saudi-Arabien nicht von Deutschland aus verkauft, sondern über seine Tochterfirma RWM Italia. Weil die Herstellung in Italien erfolge, brauche man keine Genehmigung aus Berlin. Darüber hinaus nutze Rheinmetall seine 2008 in Südafrika gegründete Tochterfirma Rheinmetall Denel Munition (RDM), um ganze Munitionsfabriken zu verkaufen. Laut den ARD-Journalisten hat RDM inzwischen 39 Munitionsfabriken geliefert oder in Arbeit, eine davon vermutlich in Ägypten.

[3] Vgl. Hans-Martin Tillack/Margherita Bettoni/Frederik Richter: Versteckspiel um eine Panzerfabrik in der Türkei, Stern v. 31.8.2017.

Von: mf

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