Otto König/ Richard Detje: Völkerrechtswidriger Raketenangriff auf Syrien

Trump: »Mission accomplished!«

26.04.2018 | 2003 haben US-amerikanische Soldaten in Bagdad triumphierend die Statue des irakischen Präsidenten Saddam Husseins vom Sockel gestürzt. Heute wissen wir: Der Krieg, der rund eine halbe Million Menschen das Leben gekostet hat, das Land zerstörte, die Entstehung des Islamischen Staats (IS) förderte und den Mittleren Osten ins Chaos stürzte, war auf Lügen aufgebaut.

Die Geheimdienstinformationen, der Irak würde über Massenvernichtungswaffen verfügen, die als Begründung für den Angriffskrieg dienten, waren nachweisblich gefälscht. Nach Auffassung des Kölner Völkerrechtlers Björn Schiffbauer handelte es sich um »eine völkerrechtswidrige Gewalt-Handlung, ein völkerrechtswidriger Krieg der USA mit ihren willigen Verbündeten«. Dieses Kriegsverbrechen wurde bis heute nicht geahndet.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       

15 Jahre später: Ein bis dato nicht nachgewiesener Giftgasangriff in der inzwischen gefallenen jihadistischen Enklave in Ost-Ghuta vor den Toren der Hauptstadt Damaskus diente dem »Unberechenbaren« Donald Trump und seinen Helfern Emmanuel Macron und Theresa May erneut für einen Völkerrechtsbruch. Wieder wird gelogen, getrickst und getäuscht. Auch dieses Mal erfolgte aufgrund von Geheimdienstinformationen,[1] so der US-Präsident[2] in einem Tweet, ein »perfekt ausgeführter Schlag« gegen Ziele, die mit den Chemiewaffen von Syriens Machthaber Baschar al-Assad in Zusammenhang stünden. Triumphierend fügte er hinzu: »Mission accomplished!«

Der »alternativlose Präzisionsschlag«, so die britische Premierministerin Theresa May wurde nach der Blaupause des Irak-Kriegs per Twitter und Presse-Kommuniqués vorbereitet, ein wesentlicher Bestandteil war wiederum wie bei beim irakischen Staatspräsident Saddam Husein die Dämonisierung des syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad als »Faßbombenmörder«, Trump twitterte, dieser sei »ein Tier, das mit Gas töte« und in seiner Ansprache an die Nation sprach er von »Verbrechen eines Monsters«.

US-Verteidigungsminister James Mattis begründete die »begrenzte, einmalige Aktion« mit dem Argument, die USA hätten ein vitales nationales Interesse daran, einer Verschlechterung der Lage in der Region entgegenzutreten, denn es sei höchste Zeit, den Bürgerkrieg und das Leid des syrischen Volkes zu beenden. Als ob es je um die syrische Bevölkerung gegangen sei. Schon seit Jahren lautet der Mehrheitskonsens in den westlichen Hauptstädten, dass Assad und »seine Clique« aus der Führung Syriens verschwinden müssen.

Um dies zu erreichen, wurden sogenannte »Rebellen« finanziell unterstützt und mit Waffen ausgerüstet, obwohl es islamistische Kämpfer waren, die mordend durch Syrien zogen. Nicht zuletzt wurden Formationen wie die »Freie Syrische Armee« hofiert, die als Söldnertruppe im Tross der türkischen Armee das schmutzige Geschäft des Autokraten Recep Tayyip Erdogan erledigt hat, die Stadt Afrin in Nordsyrien zu schleifen.

Tatsächlich ist der als Strafaktion deklarierte Angriff mit Tomahawk-Raketen eine schlecht verschleierte Machtdemonstration des Westens im ersten Land des Nahen Ostens, in dem die USA und die ehemaligen Schutzmächte Frankreich und Großbritannien die Vorherrschaft an Russland verloren haben. 

Kriegstrommeln schlagend, lebt Donald Trump, durch Skandale und Niederlagen unter gewaltigem öffentlichen Druck stehend, augenscheinlich seinen inneren Furor außenpolitisch aus, indem er, statt diplomatische Initiativen zu ergreifen, Russland präpotent mit seinen Raketen – »Get ready, Russia« – drohte. Im prahlerisch-schwärmerischen Ton twitterte er, die Raketen seien »nice, new and smart« (»schön, neu und intelligent«). Hinter dieser »Sprache eines Rockerbanden-Bosses«, so Berthold Kohler in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, verbirgt sich eine gefährliche Banalisierung des Krieges – als sei das Ganze ein Computerspiel.

Westeuropäische Staatenlenker, die durch die Kriegslüge 2003 hätten gewarnt sein müssen, basteln mit ihm an einer Strategie, die auf eine aggressive  Rhetorik sowie eine gefährliche Drohkulisse gegen Syrien und seine Verbündeten Russland und Iran aufbaut. Man werde »Regimes, die meinen, sich alles erlauben zu können«, keine freie Hand lassen, schließlich habe man Beweise, dass »Chemiewaffen vom Regime von Baschar al-Assad verwendet wurden«, sagte Emmanuel Macron in einem Interview des Senders TF1. Der Journalist Jean-Dominique Merchet charakterisiert diese Haltung des »Patrioten der Grande Nation« mit dem Sprichwort: »Besser ist eine mittelmäßige Lösung, bei der man aktiv dabei ist, als eine gute Lösung, von der wir ausgeschlossen sind.« Der mutmaßliche Chemieangriff in Douma gebe Frankreich, der ehemaligen Mandatsmacht in Syrien, die Chance, wieder ins Spiel zu kommen

Auch die innenpolitisch unter Druck stehende britische Premierministerin Theresa May ist außenpolitisch in die Rolle der »eisernen Lady« geschlüpft. »Angesichts von Berichten, dass nur 22 Prozent der britischen Bevölkerung für eine Bombardierung Syriens und 43 Prozent dagegen sind« ist der propagandistische Gewinn allerdings »eher fraglich, notiert Simon Jenkins im Guardian.

Die Bombardements auf den syrischen Staat wurden durchgeführt, bevor die ins Land eingereisten Expertengruppen der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zumindest eine offizielle Bestätigung des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes vornehmen konnten. Dass der Überfall für den Vorabend dieser Untersuchungen befohlen wurde, signalisiert jedenfalls kein Interesse an der Arbeit der Kontrolleure. Dies ist eine Missachtung elementarer rechtlicher Regeln, denen zufolge nur Beweise, nicht aber unbewiesene Beschuldigungen Strafmaßnahmen auslösen können.

Der Militärschlag hat einen destruktiven Einfluss auf das gesamte System der internationalen Beziehungen. Es ist unklar, auf welchem geografischen oder digitalen Schlachtfeld Russland reagiert und wie die Antwort des Iran ausfällt. Fest steht: Die gegenseitigen Beziehungen befinden sich auf dem Gefrierpunkt. Die rhetorischen Feindbilder werden immer drastischer.

Solange Bomben und nicht Diplomaten sprechen, steuert die Welt auf eine ungeheurer Konfrontation zu. In dieser schweren Krise in den Ost-West-Beziehungen ist auch eine »moralgestützte« Sanktions- und Dominanzpolitik keine Lösung. Es hilft auch keine Twitter-Diplomatie. Die politisch Verantwortlichen müssen wieder aufeinander zugehen. Wer wirklich Frieden will, muss den Frieden vorbereiten.


[1] Die Berichte über einen Angriff mit Chlorgas stützen sich im Wesentlichen auf Informationen der Organisationen »Weißhelme« und »Syrian American Medical Society« (SAMS), die die syrischen Truppen für den Einsatz der Substanzen verantwortlich machen. Der russische Außenminister Lawrow hat am 14. März davon gesprochen, dass die Jihadisten in Ost-Ghuta einen Anschlag mit Chemiewaffen planen, um die US-geführte Koalition zu einem Gegenschlag auf Damaskus zu provozieren. Laut der Recherchen des US-Journalisten Max Blumenthal wird die »unpolitische, medizinische Non-profit-Organisation mit fast 6 Millionen Dollar Geld von USAID unterstützt«.

[2] »Dieser Präsident ist skrupellos und nicht an die Wahrheit und institutionelle Werte gebunden«, zitiert die New York Times aus dem Buch »A Higher Loyalty« des früheren FBI-Direktors James Comey,

Von: mf

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